Buch der Erinnerungen Text Audio /16
Name
Mein Name ist Valdo Caeserius, Meister-Arkhon der Akademie von Oriath und ergebener Diener des Hohen Templers Venarius.

Ich habe damit begonnen, vergangene Geschehnisse niederzuschreiben, in der verzweifelten Hoffnung, den Grund unserer schrecklichen gegenwärtigen Lage zu begreifen. Vor einiger Zeit wurde ich mit der Reparatur eines merkwürdigen Geräts beauftragt, das mir anvertraut wurde. Eine zerstörte goldene Vorrichtung wurde in den Ruinen von Wraeclast aufgefunden. Der Hohe Templer Venarius bat mich, sie wieder funktionstüchtig zu machen, in dem Glauben, dass sich darin ein dunkles Geheimnis verbirgt, dessen Macht er in eine teuflische Waffe verwandeln könnte.

Während den ersten Wochen, die ich mit diesem Gerät zubrachte, litt meine Tochter, die zu dieser Zeit erst fünf Jahre alt war, an schrecklichen Albträumen und Wutanfällen, wie ich sie noch nie zuvor bei ihr beobachtet hatte. Ich machte mir nichts weiter daraus und führte ihr Verhalten darauf zurück, dass sie ihre Mutter vermisste und die Trauer nur schwer verkraftete. Doch nun komme ich nicht umhin zu denken, dass es sich hierbei womöglich um ein erstes Anzeichen handelte.

Ich dachte flüchtig darüber nach, Venarius' Befehl zu verweigern. Es fällt mir oft schwer, meinen eigenen Prinzipien treu zu bleiben, und dabei seinen Anweisungen und Befehlen zu folgen, die in Gier und Bösartigkeit kaum zu übertreffen sind. Meine Entscheidung, seinem Befehl zu folgen, traf ich alles andere als leichtfertig, denn ich wusste, was mit Familien geschah, die es wagten, sich seinem Willen zu widersetzen. Sie sind alle verschwunden.
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Die Vorrichtung lag auf meinem Arbeitstisch, zerbrochen und in vielen Einzelteilen. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich so vertieft darin war, die winzigen Bruchstücke zu entschlüsseln und zusammenzusetzen, dass ich zu keiner Zeit daran dachte, das Gerät als solches oder gar seine Herkunft zu hinterfragen. Tage über Tage hinweg quälte ich mich damit, das Geheimnis seines Zusammenbaus zu lüften, bis mich schließlich die schreckliche Realität einholte.

Ich konnte dieses Relikt, was auch immer es war, nicht wiederherstellen. Obwohl der Apparat größtenteils funktionstüchtig war, schien ihm etwas Grundlegendes zu fehlen. Als wäre diese Erkenntnis noch nicht schlimm genug gewesen, schien es, als würde dieses fehlende Stück ... gar nicht existieren, jedenfalls nicht in unserer Realität. Das letzte fehlende Stück, das eine klaffende Lücke hinterließ und sein Herz zum Schlagen bringen sollte, entzog sich gänzlich meines Verstandes.

In den ersten Minuten meines Erwachens fühlten sich meine Gedanken an wie ein flüchtiger Traum. Unermüdlich trieb mich die Suche nach Antworten voran, bis mich schließlich am Fuße dieser grausamen Vorrichtung ein tiefer Schlaf übermannte.
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Ich erwachte am schönsten aller Orte. Die Himmel strahlten blau im Vergleich zum tristen Grau von Oriath. Vögel flatterten in den Lüften und zwitscherten freudig. Um mich herum strich ein warmer Wind mein Gesicht, und hohes Gras kitzelte meine Haut. Ich konnte nicht wissen, wo ich war. Dennoch vermutete ich schon damals, dass der Ort irgendwie mit dem höllischen Mechanismus verbunden war, der auf meiner Werkbank schlummerte.

Als ich diesen seltsamen, neuen Ort durchquerte, übermannte mich ein wachsendes Gefühl der Erkenntnis, dass ich nicht allein war. Beim Erkunden hoher Grasfelder suchte ich mir ein Gebüsch, um mir einen Moment der Ruhe zu gönnen. Es war in diesem Moment, in dem ich einen Mitwanderer kennenlernte. Ein Schemen, ein Flüstern von verkörpertem Rauch, der in der Vegetation kaum zu hören oder zu sehen war. Er erhob sich und sprach zu mir, nicht durch Sprache, sondern durch Gedanken und Bilder, Farben und Emotionen. Wie Wasser, das durch brüchige Risse in der Erde heraussprudelte, brach er in meinen Verstand ein.

Der Schemen hieß mich in seinem Land willkommen und erkundigte sich, wie ich denn hier ankam. Voller Neugierde und Begeisterung willigte ich ein, mein gesamtes Wissen über Oriath, meine Tochter und den seltsamen sowie mysteriösen Apparat, der mich wohl an diesen Ort geführt hatte, zu teilen.
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Der Schemen nickte nachdenklich. Er wusste von dem Apparat. Er ließ mich wissen, dass die Maschine ein Durchgang zwischen meiner Welt und den Traumlanden war. Der Apparat ging verloren. Zerbrochen und zerstückelt von Schurken und Dieben. Der Schemen war überwältigt von dieser Kunde und bot mir seine Hilfe bei der Wiederherstellung des fehlenden Stücks an.

Es schien zu schön, um wahr zu sein. Wir würden einen Durchgang zwischen den Welten öffnen, und fortan würde dieses Land all seine Kostbarkeiten mit Oriath teilen und uns in ein neues Zeitalter des Wohlstands führen. Ich stimmte voll und ganz zu – denn ich fürchtete, und ich fürchte immer noch, was aus meiner Tochter unter der Herrschaft des Hohen Templers Venarius werden würde. Alles, was der Schemen im Gegenzug von mir verlangte, war, den Gefallen zu erwidern, sobald die Zeit reif war.

Als ich mich wieder in das kühle Gras legte und in der wohltuenden Sonne badete, übermannte der Schlaf meinen Körper ein weiteres Mal. Nur dieses Mal, als ich meine Augen verschloss, öffneten sie sich in der kalten, leeren Dunkelheit meines Arbeitszimmers ...
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Wochen vergingen. Sonne und Mond wechselten sich unzählige Male ab. Jede Nacht schlief ich inmitten des seltsamen Apparats ein und erwachte in der Wirklichkeit einer anderen Welt inmitten meiner eigenen. Und jedes Mal ging ich in die Traumlande hinüber.

In meinem Schlaf ließ ich mich vom Schemen selbst lehren und erlaubte ihm, mir die seltsamen Eigenheiten dieses Ortes beizubringen. Ich lernte Dinge aus meiner Vorstellungskraft heraus zu formen und zu bauen. Ich gestaltete sie in der Luft wie ein thaumaturgisches Wunder. Es war die Härtung meines Verstands, die mich unter der Anleitung des Schemens die fehlende Komponente des Apparats wiederherstellen ließ. Das Aufregendste von allem war jedoch die Anleitung, mit der man solche traumhaften Schätze zurück in die Welt der Menschen befördern konnte.

Wenn der Hohe Templer Venarius während der Oriath-Stunden seine Stippvisite unternahm, log ich ihn an und beschwichtigte ihn mit Ausreden. Ich und mein Hochmut wollten um jeden Preis die entdeckten Kräfte für uns behalten. Ich wollte, dass die Traumlande mein Geheimnis blieben und nur mir allein gehörten. Nicht einmal meine Tochter durfte davon wissen ...
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Es kam der Tag, an dem das fehlende Stück des großartigen Apparats endlich geformt war. Ein seltsames Teilstück, dessen Funktion lediglich darin bestand, geheimnisvolle Abbilder uralter Karten zu halten. Es war an diesem Tage, an dem der Schemen seinen einzigen Gefallen einlösen wollte.

Bilder vergangener Zeiten durchströmten meinen Geist in denen der Schemen einst ein stolzer König über die Traumlande war. Sein Königreich, gutmütig und edel, wurde von einem Schatten überfallen, einer Sekte hasserfüllter Männer und Frauen – der Orden des Verfalls erhob sich, um den Schemen zu vernichten. Mit dem Vorhaben, diese Lande zu kontrollieren, hatten diese Eindringlinge eine mächtige Klinge hergestellt, um die Seele des Königs von seinem Körper zu entzweien und ihn zu verfluchen, damit er in seinem ehemaligen Königreich umherstreifen sollte, während sein Körper in Stein gefangen war.

Ich war beschämt! Wie konnten diese Leute nur solche Grausamkeiten an so einer demütigen Kreatur verüben? Und wo hielten sich diese Bösewichte jetzt auf? Waren es die gleichen Leute, die sich mit dem Apparat davongemacht hatten? Waren sie es, die die Verbindung zwischen den Welten getrennt und ihre Funktionsweise unterbunden haben?

Der Schemen führte mich tief in einen dunklen Wald und enthüllte für mich in einer vergessenen Höhle eine Statue, die aus schwarzem Marmor gegossen war. Sie war durchbohrt von einem Schwert. Meiner Vermutung nach war es das gleiche Schwert aus meiner Vision. Die Statue war angsteinflößend. Unglaublich furchterregend, um ehrlich zu sein. Die Kreatur, die sie abbildete – ein Wesen gewalttätiger und verabscheuungswürdiger Natur – stand inmitten eines Altars aus altem Holz und Knochen. In diesem Moment lief mir ein kalter Schauer über den Rücken, da der Schemen hinter mir auftauchte.
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"Zieh die Klinge aus meiner Brust", ordnete der Schemen in meiner Gedankenwelt bildlich und geistig an. "Entferne das Schwert. Befreie mich." Doch als ich meinen Arm ausstreckte und Folge leisten wollte, ergriff zum ersten Mal ein Schrecken meinen Geist, und Zweifel umnebelten meinen Verstand. Ich fragte mich, ob diese Kreatur diejenige war, die sie vorgab zu sein. Ich entschloss mich, für einen Moment innezuhalten, weitere Fragen zu stellen und so ein besseres Verständnis über den Schemen zu erlangen. Verunsichert weigerte ich mich, dem Gefallen nachzukommen.

Der leiseste Anflug meines Widerstands versetzte den Schemen in Rage. Er glühte rot vor Wut! Und obwohl er nicht sprechen konnte, machte er seine Absichten sehr deutlich. Ich fühlte, wie mein Geist zerrissen wurde, als mir Bilder von Mord und Verstümmelung aufgezwungen wurden. Ich habe ... Dinge getan. Furchtbare Dinge an denen, die ich liebte ... an meiner Tochter.

Panik ergriff mich und ich floh, erst aus der Höhle, dann durch den dunklen Wald. Ich verfluchte meine eigene Torheit und fragte mich, wie ich so etwas Seltsamem so leichtsinnig und blind vertrauen konnte. Schließlich, und in voller Verzweiflung, entdeckte ich einen unbewohnten Fuchsbau und vergrub mich darin. Der immer noch vor Wut schäumende Schemen zog auf seiner Jagd an mir vorbei. In diesem dunklen, feuchten Loch zitterte ich vor Abscheu und Schrecken, lautlos weinend, bis ich in der Stille den Schlaf fand und wieder im Laboratorium erwachte.

Wieder bei Sinnen floh ich auf die Straße und kam mitten in der Nacht nach Hause. Ich eilte in das Schlafzimmer meiner Tochter, zog sie aus ihrem Schlaf und umarmte sie fest, mein ganzer Körper zitternd, während meine Tränen haltlos an meinem Gesicht hinunterliefen. Ich versprach ihr, sie niemals wieder loszulassen.
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Monate sind seit meinem albtraumhaften Abstieg in den Fuchsbau vergangen, seit der Schemen seine wahren Absichten preisgegeben hatte. Jeden Tag legt sich die Angst immer enger um meinen Hals und jeden Morgen schließe ich mich in meinem Arbeitszimmer ein, tauche in die dunkelsten Bände, die ich finden kann, ein, und versuche mir höllisches, okkultisches Wissen anzueignen, das uns vor dem Ding retten könnte, vor dem ich geflohen bin.

Ich hatte die Hoffnung beinahe aufgegeben, da ich nahezu nichts über den Schemen und seine "Traumlande" wusste, bis mich heute in der Früh eine Lieferung von Eramir, einem Gelehrten, den ich sehr bewundere, erreichte. Ich wühlte mich durch die Ladung unzähliger Pergamentfetzen und Bücher, die er mir gesandt hatte, und endlich habe ich einige Informationen gefunden, die von Nutzen sein könnten.

Der Orden des Verfalls existierte tatsächlich einmal in einer fernen Vergangenheit unserer Welt, und ich bin jetzt im Besitz einiger ihrer Werke. Die Wahrheit ihrer Geschichte ... sie ist ... sie ist ... so unbeschreiblich, dass ich selbst jetzt noch zögere, sie aufzuschreiben, die Worte in meine Aufzeichnungen aufzunehmen. Doch ich bin ein Arkhon, und wir Arkhone zeichnen alles auf ...
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Sie nannten ihn den Ältesten. Eine Kreatur bösartigen Wahnsinns, geboren aus der unendlichen Leere, bevor der Begriff von Zeit existierte. Der Älteste war lange Zeit nur eine abstrakte Vorstellung, bis er schließlich eine physische Gestalt annahm und damit in unsere Welt trat. Zuvor schuf er sich zu seiner Unterhaltung eine Spielwiese des Chaos, verschiedene geheime Welten, die er zu seinem ... Jagdgrund erklärte. Ich bin fest davon überzeugt, dass es sich bei dieser Spielwiese um die Traumwelten handelt, die ich entdeckte.

Es war der Hunger, der den Ältesten hierhertrieb. Da er besonders nach jungem Fleisch lechzte, wurde er zum Inbegriff des Schwarzen Mannes, der unsere Kinder der Nacht entriss und sie in sein Reich des Schattens entführte, um sich dort an ihren Albträumen zu laben. Nur die Fantasie vermochte seinen grausamen Hunger zu stillen.

Mit dieser Nahrungsgrundlage machte der Älteste sich daran, seinem wahren Ziel, seinem wahren Ich näherzukommen, der Leere abseits von Zeit und Raum. Dem Verfall.

Selbst in diesem Moment, in dem ich diese Zeilen schreibe, fühle ich, wie meine Hand vor Angst zittert, und es fällt mir schwer, mich auf die bevorstehende Aufgabe zu konzentrieren ... Der Älteste. Er kann nicht getötet werden. Der Orden, der die Vorrichtung erschuf, reiste zu diesem Königreich der Qualen, um es zu versiegeln. Von dort brachten sie das Schwert mit, das ich sah. Es trägt den Namen Sternenschmiede: eine Waffe, die in der Lage ist, Geist von Materie zu trennen und den Ältesten in eine Art ewigen Schlaf zu versetzen ... Zusammen mit den wahnwitzigen Albträumen seiner Kindesopfer wurde er in dieser Höhle eingesperrt und in unsichtbare Ketten gelegt. Hungernd, verlassen, und nicht mehr in der Lage, seine Jagd fortzusetzen.

Die Gestalt des Ältesten mag im Stein gefangen sein. Doch sein Geist ist frei, ich bin ihm begegnet. Was, wenn nun andere diese Traumwelten beträten und dem Schatten begegneten? Was, wenn Venarius ...? Meine Begegnung mit dem Ältesten hat ihn aus seiner Starre gelöst und ihm zu neuen Kräften verholfen. Ich muss einen Weg finden, ihm ein Ende zu bereiten, bevor er einen Weg findet, sich zu befreien. Ich bin es dem Wohle meiner Tochter schuldig ...
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Seit meinem letzten Eintrag ist einiges an Zeit vergangen. Ich habe seither jede schlaflose Stunde damit verbracht, einen Weg zu finden, diesem gottlosen Ältesten ein Ende zu bereiten, auch wenn die Suche bisher erfolglos war.

In meinem geheimen Arbeitszimmer habe ich die Arbeiten an meinem eigenen Apparat aufgenommen. Wohingegen der Kartenapparat des Ordens dazu konzipiert wurde, zur Dimension des Ältesten zu reisen und diese zu versiegeln, verfolge ich mit meinem Apparat ein ähnliches, wenn auch anderes Ziel.

Tag und Nacht habe ich mit dieser Erfindung zugebracht. Sobald ich sie vollendet habe, wird dieser Älteste unsere Welt nie wieder heimsuchen. Die Kreatur kann nicht getötet werden, und das Trennen ihres Geistes und ihres Körpers vermochten ihr keinen Einhalt zu gebieten, aber vielleicht, nur vielleicht, besteht die Möglichkeit, sie zu verbannen ...
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Wie konnte ich nur so töricht sein? Ich war so von diesem Albtraum eingenommen, dass ich meine Arbeit als Arkhon vergaß! Mein "vermeintlich" mangelnder Fortschritt bei der Fertigstellung des Apparats weckte das Misstrauen des
Hohen Templers.

Zur Mittagszeit, als ich mich der Vollendung meines Werkes näherte, stürmte der Hohe Templer mit seinen Wachen wutentbrannt in mein Arbeitszimmer. Sie rissen meinen Apparat zu Boden, zerstörten damit einen Großteil meiner Forschung und verhörten mich, warum ich mich nicht länger der Aufgabe widmete, die mir befohlen wurde. In Ketten gelegt, wurde ich wegen Ungehorsams in die Kerker von Theopolis geführt.

Der Güte einer Templerwache habe ich diese Aufzeichnungen zu verdanken. Als er von meiner Verhaftung erfuhr, schleuste er ein Tagebuch in meine Zelle, da er wusste, wie viel mir diese Aufzeichnungen bedeuteten.

Ich weiß nicht, was Venarius mit mir vorhat. Ich überhörte Gerüchte über öffentliches Anprangern und Peitschenhiebe, doch es gibt keine Gewissheit. Die einzige Gewissheit besteht darin, dass der Älteste uns holen kommt. Er kommt, um uns alle zu holen, ob Karui-Sklave oder Hoher Templer. Er wird über die Schwelle treten und den Verfall mit sich bringen ... Ich muss um jeden Preis einen Weg aus diesen Ketten herausfinden. Nur ich kann uns vor dieser Blasphemie bewahren, die Oriath bald befallen wird ...
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Meine Tochter ... meine geliebte Tochter. So viel Zeit ist seit meiner letzten Niederschrift vergangen. So viel Schrecken ... ich habe keine Zeit zu verlieren, aber ich möchte ... ich muss niederschreiben, was geschah. Es ist der einzige Weg, bei Verstand zu bleiben. Ich glaube, dass ich mich zurzeit in Sicherheit befinde, sodass ich in Ruhe über alles nachdenken kann, in der Hoffnung, dass sich mir dadurch ein Weg aus diesem Desaster eröffnet.

Venarius, dieser Bastard ... Erbost darüber, dass mein Vorankommen an seiner tödlichen Waffe nicht so ausfiel, wie geplant, ließ er mich durch die Stadt peitschen. "Dieser Mann hat mich verraten!", schrie er, als seine Männer mir meine Kleidung vom Leib rissen und mich mit Stöcken prügelten. Als ich dem Tode nahe war, fragte er mich ein weiteres Mal, warum ich versagt hatte. In meiner Torheit erzählte ich ihm ... alles.

Ich hatte gehofft, das Gute in ihm von der drohenden Gefahr zu überzeugen, sodass er seine Armee versammeln und an meiner Seite kämpfen würde. Zusammen könnten wir den Ältesten ein und für allemal vernichten! Doch man sollte nie den Fehler begehen, an das Gute in einem Menschen zu appellieren, denn das Gute ist nicht allen Menschen vorbehalten. Venarius ... er ... griff sich Zana und hielt ihr ein Messer an die Kehle! Er verlangte, dass ich uns alle in die Traumlande führe, um den Ältesten zu treffen!

Wer auch immer dies liest, ich flehe Euch an, denkt nicht schlecht von mir. Was hättet Ihr an meiner Stelle getan, wenn das Leben Eurer Tochter auf dem Spiel stünde? Ich ... tat, was mir befohlen wurde. Mit dem Kartenapparat traten wir durch ein Portal, das mich einmal mehr in diesen Atlas der Welten führte ...
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Die Landschaft war genauso schön, wie ich sie in Erinnerung hatte. Eine leichte Brise wehte durch die Felder, und die pralle Sonne brannte uns im Nacken. Der Hohe Templer und seine Gefolgschaft kamen aus dem Staunen nicht heraus, während meine Tochter vor Angst weinte. Ich fühlte mich elend.

Während wir uns unseren Weg durch die Wildnis bahnten, dauerte es nicht lange, bis wir auf die einnehmende Präsenz des Schemen trafen. Die leibhaftige Essenz des Ältesten stand direkt vor uns. Ich fühlte, wie sich sein Blick tief in mein Fleisch bohrte und er nach meinen Gedanken suchte, warum ich zurückgekehrt war. Doch bevor ich antworten konnte, kam mir Venarius zuvor und begrüßte das Phantom mit folgenden Worten:

"Er erzählte mir, Ihr wärt der Herrscher dieser Lande", sagte er. "Mein armseliger Gelehrter hier sagt, dass Ihr ein Gefangener seid und einen Schlüssel braucht."

Während er sprach, hörte der Schemen aufmerksam zu. Seine Selbstgefälligkeit war nicht zu übersehen.

"Ich kann dieser Schlüssel sein", verkündete der Hohe Templer.

Es dauerte einen Moment, bis der Schatten eine Regung zeigte. Eine erdrückende Stille lag in der Luft. Dann plötzlich drängte sich seine Frage in Form einer Vision in unseren Geist:

"Was ist es, dass Ihr verlangt?"

Der Hohe Templer lächelte. "Macht, natürlich, nichts als Macht", antwortete er.
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Der Schatten verwandelte sich in ein gleißendes Licht und fegte eilig hinfort in den Wald vor uns. Der Hohe Templer und seine Truppen verfolgten ihn und zogen mich und meine Tochter hinter sich her. Ich erkannte, worauf wir zusteuerten. Der Wald war so finster und angsteinflößend, wie ich ihn in Erinnerung hatte, und die Höhle erst recht. Bevor wir uns dessen bewusst waren, standen wir am Fuße der gotteslästernden Statue auf ihrem primitiven heidnischen Altar.

"Zieh das Schwert aus meiner Brust."

Befahl der Älteste, und der eitle Venarius zögerte keine Sekunde. Er packte das Schwert und riss es mit einem Ruck heraus. Die ganze Erde erzitterte! Es schien, als würde selbst der Erdboden im Angesicht der Vereinigung des Ältesten mit seinem Fleische in Angst und Schrecken versetzt.

Der kalte Stein zerbarst in tausend Stücke und gab den Ältesten frei, der nun vor uns stand. Venarius ließ das Schwert aus seiner zitternden Hand rutschen und als es den Boden berührte, flackerte ein weißes Licht im Griff des Schwertes auf, bis es schließlich von einer finsteren Leere verschluckt wurde.

Da ich wusste, was passierte, wenn man das Angesicht des Ältesten erblickte, drehte ich mich um und verdeckte die Augen meiner Tochter. Im selben Moment fiel der Älteste über den Hohen Templer und seine Männer her. Ich hörte Schreie und wahnwitziges Gerede. Der Älteste sprach kein Wort. Keine Visionen mehr. Er war frei. Er war nicht länger darauf angewiesen, mit Menschen zu kommunizieren.

Als das Leben aus Venarius' Körper und denen seiner Männer entschwand, plante ich mit meiner Tochter die Flucht. Während der Älteste begann, nach Jahrtausenden des Darbens seinen Hunger zu stillen, ergriff ich den Kartenapparat, den Venarius fallen ließ, und eilte mit meiner Tochter davon ...
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Ich fürchte, dass wir dem Ende geweiht sind. Nicht nur mein Ende, sondern das Ende aller Dinge. Der Älteste wurde entfesselt. Bald wird es sich an mir ergötzen, dann an meiner Tochter. Sobald er fertig mit uns ist, wird sein Blick gen Rest der Welt wandern.

Die Zeiten werden so wie damals sein, als der Orden des Verfalls gegründet wurde. Kinder werden aus ihren Betten verschwinden. Die Eltern werden trauern, die Dunkelheit wird herabsteigen und, geboren aus dem Gemetzel, wird der Verfall eintreffen, der seine physische Form in unserer Welt annehmen wird – denn dies ist der wahre Meister des Ältesten! Die sporenbesetzte Monstrosität wird sich manifestieren und seine mächtigen Ranken ausstrecken. Dieser Schimmel, ein Wesen jenseits von Raum und Zeit, wird das Ende der Welt bedeuten ...

Als wir durch den Wald flohen, konzentrierte ich mich auf meine Entschlossenheit. Für mich war es bereits zu spät. Ich wusste von den formenden Kräften. Ich war die einzige Hoffnung, die den Ältesten besiegen konnte. Während sie mit ihrem Festmahl beschäftigt war, hatte uns die unheimliche Abscheulichkeit tatsächlich irgendwie vergessen. So konnten wir unbemerkt den Rückweg einschlagen und folgten dabei unseren Spuren zurück, bis wir einmal mehr vor dem Portal nach Hause standen. Ich wagte keinen Blick über meine Schulter und tauchte durch das schimmernde Fenster. Zusammen sind wir in Oriath hineingestürzt.

Ohne auch nur eine Minute zu vergeuden, nahm ich ein Werkzeug in Griffweite und klemmte es in den höllischen, brummenden Apparat, der fest im Boden des Laboratoriums verankert war. Der Älteste musste aufgehalten werden und so ... ließ ich sie dort und bat sie, sich im Schrank oder unter dem Arbeitstisch zu verstecken. Dann, als das Portal anfing zu flackern und kleiner zu werden, drehte ich mich um und trat ein letztes Mal in die Traumlande hindurch.
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Meine liebe Zana,

wo hältst du dich gerade auf? Ich hoffe inständig, wie es ein Vater oft tut, dass du glücklich bist und am sichersten aller Orte weilst. Ich hoffe, dass du gütig und stark aufwächst, dass du liebst und geliebt wirst. Welch' schreckliches Bedauernis, dass ich dich nie wiedersehen werde, aber ich muss alles in meiner Macht Stehende tun, um dich vor den Schrecken dieser äußeren Finsternis zu schützen.

Ich habe gegen den Ältesten versagt. Um ehrlich zu sein, ich hatte nie eine Chance. Die Kreatur war zu stark, zu versiert in der Kunst des Formens. Wenn Venarius am Tage meiner Verhaftung im Arbeitszimmer nicht die Waffe beschädigt hätte, die ich erbaute, dann hätte ich vielleicht eine Leere öffnen können, welche die Kreatur aus ihrer physischen Hülle und damit aus dieser Realität herausgepresst hätte. Aber ich bin nicht mehr im Besitz eines solchen Apparats, und der Älteste hat bereits zu oft von meinen Gedanken gezehrt, dass ich befürchte, mich nicht einmal mehr daran erinnern zu können, wie ich ihn wiederaufbauen könnte, selbst wenn ich es versuchte.

Mein Krieg mit der Kreatur ist aber noch lange nicht zu Ende. Ich habe auch nicht die Oberhand. Aber wie ein in die Enge getriebenes Tier werde ich solange beißen, bis ich nicht mehr bin. Ich habe oft versucht, in Oriath zu schlafen und zu erwachen, in der Hoffnung, dich eines Nachts wieder in meinen Armen halten zu können. Aber statt meines Studiums träume ich von nichts.

Ich bin mir bewusst, dass dieser Brief dich vielleicht niemals erreichen wird, aber ich schreibe ihn trotzdem
– wenn nicht für dich, dann um meines zerbrechlichen Verstandes willen. Ich habe dich so lieb, meine Tochter, und hoffe nur das Beste für dich, weit weg von all der ... kosmischen Dunkelheit. Du hast mich mit Stolz erfüllt, und ich betrachtete jeden Tag als Segen, an dem ich dich meine Tochter nennen durfte ...

Ich muss weitergehen. Ich muss weiterkämpfen. Vielleicht werden wir uns eines Tages, sofern die Götter es erlauben, noch einmal sehen. Ich habe dich so lieb.

Dein Vater,

Valdo Caeserius
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